StGB § 32
[Rn. 13] aa) Nicht rechtswidrig handelt nur derjenige, der eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist. Dabei kann das Merkmal der Gebotenheit im Einzel-fall sozialethisch begründete Einschränkungen an sich erforderlicher Verteidigungshandlungen notwendig machen. Die Verteidigung ist dann nicht geboten, wenn von dem Angegriffenen aus Rechtsgründen die Hinnahme der Rechtsgutsverletzung oder eine eingeschränkte risikoreichere Verteidigung zu verlangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21.März 1996 –5StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100; Urteil vom 1.Juni 2016 –1 StR 597/15, NStZ-RR 2016, 272, 273.
[Rn. 18] Wer durch ein sozialethisch zu beanstandendes Vorverhalten einen Angriff auf sich schuldhaft provoziert hat, selbst wenn er ihn nicht in Rechnung gestellt haben sollte oder gar beabsichtigt hat, darf nicht bedenkenlos von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen und sofort ein lebensgefährliches Mittel einsetzen. Er muss vielmehr dem Angriff nach Möglichkeit ausweichen und darf zur Trutzwehr mit einer lebensgefährlichen Waffe erst übergehen, nachdem er alle Möglichkeiten zur Schutzwehr ausgenutzt hat; nur wenn sich ihm diese Möglichkeit verschließt, ist er zu entsprechend weitreichender Verteidigung befugt (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2014 –1 StR 630/13, NStZ 2014, 451, 452).
BGH, Urteil vom 20.11.2019 - 2 StR 554/18 (LG Gießen)